Früher, in meiner Kindheit, verliefen der Heilige Abend und
Weihnachten viel, viel bescheidener als heutzutage. Normalerweise ernährten wir
uns weitgehend autark, denn ich wuchs auf dem Land auf, seit Generationen wurde
Landwirtschaft und Weinbau betrieben, es wurden Schweine gemästet – und
geschlachtet, zu ganz besonderen Ereignissen, wie meiner Konfirmation, auch mal
ein Rind; die wurden aber normalerweise als Zugtiere verwendet, lieferten
Milch, die an die Molkerei geliefert wurde, von der wir dann Butter erhielten. Zeitweise
hatten wir Ziegen, deren Nachwuchs im Frühjahr bewundert, mit uns Kindern
fotografiert … und dann geschlachtet und gegessen wurde.
Heiligabend abends war unsere Gaststätte ausnahmsweise
geschlossen, aber schon am 1. Weihnachtsfeiertag war sie wieder geöffnet.
Für das Abendessen an Heiligabend wurde ausnahmsweise in
der nahegelegenen Kleinstadt in einem „Delikatessengeschäft“ eingekauft, und
zwar reichlich Fleischsalat und für jeden eine Scheibe gekochten Schinken,
Dinge, die heute selbstverständlich sind, über die sich die meisten keine
Gedanken machen. Ich normalerweise auch nicht – außer an Heiligabend.
Natürlich gab es Geschenke: Die Puppe bekam ein neues
Kleid, und meist gab es ein neues Kartenspiel, mit dem sich die ganze Familie den
Abend über vergnügte. Mein Vater bekam u. a. ein kleines Stück Räucheraal,
heute würde man sagen, es war „für einen hohlen Zahn“, das er dann noch mit mir
teilte, denn fast alles, was meinem Vater schmeckte, das schmeckte auch mir 😉.
Es war nicht so, dass wir arm waren, im Verhältnis zu
Tagelöhner-Familien z. B. ging es uns auch damals schon sehr gut, aber die
Konsum-Gesellschaft war noch nicht erfunden worden. Und vielleicht wäre es
besser gewesen, sie wäre das auch nie.