Ich gehe zu dieser Wahl, so wie ich nach Möglichkeit zu allen Wahlen gehe. Und ich mache keine Briefwahl, ich gehe persönlich hin. Einmal ist mein Wahllokal nicht weit von meiner Wohnung entfernt, so das ich es auch als nicht mehr so ganz fitte ältere Frau gut erreichen kann, zum anderen habe ich früher selbst schon als Wahlhelfer bzw. Wahl-Schriftführerin gearbeitet und weiß, wie öde es ist, wenn man da sitzt und kaum einer kommt. Aber dies nur am Rande.
Ich weiß noch, wie es war ohne die EU!
Als ich ein Kind war, mussten meine Eltern und meine Großmutter noch ein Visum bei der dortigen französischen Besatzung beantragen, wenn sie zu Verwandten ins Saarland fahren wollten. Dann „kungelte“ Adenauer mit de Gaulle in meiner damaligen Kreisstadt und eine erste deutsch-französische Annäherung fand statt, während meine Erzeugerin und deren Mutter immer noch die Franzosen als „Erbfeind“ ansahen. Und zwischen dieser meiner Kreisstadt Bad Kreuznach und der französischen Stadt Bourg-en-Bresse wurde die erste Städtepartnerschaft gegründet.
Ich besuchte das Gymnasium, lernte Französisch, hatte auch eine französische Brieffreundin, Yolande, von der Schule bzw. der Französisch-Lehrerin vermittelt, in Revin, einem kleinen Ort in den Ardennen. Sie besuchte uns einmal während der Schulferien, ich durfte natürlich nicht in Feindesland fahren. Gut erinnere ich mich daran, dass wir einen Ausflug nach Rüdesheim und Bingen machten und sie sich weigerte, zum Niederwald-Denkmal zu fahren. Für mich war das nur ein toller Aussichtspunkt; ich wusste damals noch nicht, dass diese „Germania“ zur Feier eines Sieges über die Franzosen 1871 errichtet worden war, sie ja.
Langsam ging es nur voran, noch lange brauchte man unterschiedliches Geld, wenn man ins Ausland reiste, noch lange gab es Zollkontrollen, auch wenn sie nach und nach etwas weniger streng gehandhabt wurden, und man als Urlaubsreisender meist durchgewunken wurde.
Mein zweiter Mann und ich, wir fuhren oft nach Frankreich in Urlaub, es gefiel uns dort. Einmal 1975, nach dem leider allzu frühen Tod meines Vaters, nahmen wir meine Erzeugerin mit nach Südfrankreich in den Urlaub – einmal und nie wieder. Ich werde nie vergessen, wie sie während des Besuchs eines Cafés in Beaune in Burgund, wo wir immer gerne Station machten, sagte: „Komisch, wenn die Leute nicht anders reden würden als bei uns, dann würde man gar keinen Unterschied merken.“ Worauf ich antwortete: „Was hattest Du denn gedacht? Dass die Leute blau-gelb kariert wären?“ Natürlich war sie über meine Antwort beleidigt, aber das war sie die ganze Zeit über, hatten mein Mann und ich sie doch ins Land des Erbfeindes verschleppt 😊.
Und dann irgendwann ab 1990 gab es gar keine Zollkontrollen mehr, und ich weiß noch, dass ich es fast gar nicht glauben wollte, als wir das erste Mal einfach von einem Land in ein anderes fahren konnten, ohne an der Grenze zweimal kontrolliert zu werden. Es war für mich ein erhebendes Glücksgefühl, dass es so weit gekommen war!
Und dann kam der Euro – alles wurde teurer ☹. Aber man musste auch kein Geld mehr tauschen, weder für Frankreich, noch für Spanien.
Nur die Großbriten machten bei allem nicht so recht mit, und dafür bekamen sie auch noch Zucker … Aber damit ist ja jetzt Schluss – leider.
Also, ICH möchte die EU nicht missen!!! Natürlich ist sie nicht perfekt, aber das sind auch ihre Bewohner nicht, denn sie sind ja Menschen – und keine Götter 😊! Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, wie wir wissen.
Natürlich würde ICH einiges anders machen: Zuerst einmal würde ich das „Einigkeitsprinzip“ abschaffen und das „Mehrheitsprinzip“ einführen, so wie es auch in den einzelnen Ländern gang und gäbe ist. Ich würde Ländern wie Polen, Ungarn, den sogenannten Visegrad-Staaten also, den Geldhahn zudrehen; denn man kann nicht für sich nur die Vorteile abschöpfen, aber einem selbst unangenehme Dinge einfach ignorieren; jede Gemeinschaft kann nur bei gegenseitigem Geben und Nehmen funktionieren. Und ich würde auch die Beitrittsgespräche und die damit verbundenen Zahlungen an die Erdogan-Türkei auf Eis legen. Vielleicht kommen ja einmal andere Zeiten.